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Manche leben in Bochum. Und andere, wie Meiko, leben Bochum. Alljährlich feiern die Bochumer im Frühling das Maiabendfest. Sie ehren so die tapferen Recken, die der Sage nach im Jahr 1388 Graf Engelbert III. das Vieh zurückbrachten, das die Dortmunder zuvor dreist stahlen.

Nun schon das vierte Jahr in Folge führt Meiko die Maiabendgesellschaft als Junggesellenhauptmann an. Die Nähe zum Maiabendfest, das jedes Jahr die Bochumer Innenstadt in ein blau-weißes Fahnenmeer verwandelt, wurde Meiko schon in die Wiege gelegt. Sein Urgroßvater war im Jahr 1912 einer der Mitbegründer des Spielmannszuges Bochum 1912. Traditionell begleiten die Spielmänner die Festivitäten musikalisch. Auch Meiko ist neben seiner Rolle als Junggesellenhauptmann weiterhin ein Mitglied des Spielmannszuges. „Meine Familie ist in der vierten Generation dabei.“, erzählt der Achtundzwanzigjährige mit einem gewissen Stolz.

„In meiner Familie da haben wir das so gelernt. Wir leben tatsächlich für die Stadt: bewahren die Bochumer Stadtgeschichte, im Fußball stehen wir, wie kann es auch anders sein, hinter dem VfL. Wir würden alles für die Stadt machen, immer.“

Wir würden alles für die Stadt machen, immer.

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Wenn Meiko von den Maischützen und der Maiabendgesellschaft erzählt, spricht er oft von seiner blau-weißen Familie. Er berichtet von Zusammenhalt – oft auch generationsübergreifend. Zu Zeiten der Pandemie wurde er das erste Mal zum Junggesellenhauptmann gewählt. Seine Entscheidung war in seiner eigenen Familie zunächst umstritten, als Hauptmann könne er schließlich nicht gleichzeitig im Spielmannszug Bochum 1912 musizieren. Sein Wunsch war schließlich zu groß, und die Familie entschloss sich, Meiko zu unterstützen.

Vater und Sohn vereint. Papa führt den Spielmannszug Bochum 1912 an, der Sohnemann die Maischützen.

Die erste Amtszeit des frisch gebackenen Junggesellenhauptmanns barg gleich viele Herausforderungen: da waren die Corona-Auflagen und auch das erste Maiabendfest, das seit dem zweiten Weltkrieg nicht stattfinden konnte. Die Jüngeren hielten in dieser Zeit den Kontakt und die Gemeinschaft über Videotelefonie aktiv aufrecht. Die regelmäßigen Treffen fanden nun digital statt. Ältere Mitglieder empfingen so lang Besuche, wie es die rechtlichen Bestimmungen zu ließen. Als dies nicht mehr möglich war, gab es auch mit denen, die digital nicht ganz so firm waren, einen regen telefonischen Austausch. Die Kameraden geben aufeinander Acht.

Einsam fühlte Meiko sich selten in seinem Leben. Zum Beispiel als er und seine damalige Freundin sich trennten. Die beiden wuchsen gemeinsam auf, sie lebten in einem Stadtteil. Von einem Tag auf den anderen wandte sich der ehemals gemeinsame Freundeskreis dann plötzlich von ihm ab. „Das war schon eine harte Zeit“, erinnert er sich.

Selbstverständlich gäbe es auch mal bei den Maischützen Meinungsverschiedenheiten. Aber dann setze man sich an einen Tisch und spräche sich bei einem Bierchen aus. Diese enge Kameradschaft ist Meiko wichtig. Sie ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass der Brauchtumsverein so lange Bestand hat.

Im letzten Jahr verlor Meiko ein Vorbild und einen Freund. Der ehemalige Junggesellenhauptmann Thorsten verstarb unerwartet. Er hatte Meiko schon von Geburt an gekannt. Während der Corona-Zeit telefonierten die beiden fast täglich. Thorsten, der selbst sechs Mal als Junggesellenhauptmann die Maiabendgesellschaft angeführt hatte, stand seinem jüngeren Nachfolger stets mit Rat und Tat zur Seite, hatte immer eine passende Lösung parat. Nach seinem Tod standen die Kameraden sowohl der Familie als auch einander bei, sie unterstützten, wo sie konnten.

An Freund und Vorbild Thorsten Horn haben die Maischützen mit einem Anstecker gedacht. Die Erlöse aus den Verkäufen gingen an die Familie des Verstorbenen.

Jetzt ist es Meikos Ziel, erneut Junggesellenhauptmann zu werden. Und zwar so oft, bis er Thorstens sechs Jahre geknackt hat. Denn das versprach Meiko ein paar Wochen vor Thorstens Tod per Handschlag. Für Thorsten, für den Verein und für Bochum: Er wird weiter dafür sorgen, dass diese schöne Tradition bewahrt wird.

Immer für einander da – die Bochumer Maiabendgesellschaft. Wenn auch zur späten Stunde nur noch teilweise anwesend.